Wie offen sollst du mit deiner
chronischen Erkrankung am
Arbeitsplatz umgehen? Sagst
du es deinem*er Chef*in
und den Kolleg*innen oder
behältst du es lieber für dich?
Darauf gibt es keine eindeutige Antwort.
Eins vorneweg: Du bist nicht verpflichtet, deine chronische Erkrankung bei der Arbeit offenzulegen – es sei denn, du gefährdest dadurch andere. Dann musst du die Symptome nennen, die deine Arbeit beeinträchtigen, nicht die ursächliche Krankheit.1
Unabhängig davon spielt deine individuelle Situation eine entscheidende Rolle, ob du deine Erkrankung bei deiner Arbeit offen ansprichst oder nicht. Dabei gibt es kein Entweder-oder. Du kannst beispielsweise vertraulich nur mit deinen Vorgesetzten darüber reden. Oder einer Vertrauensperson, ohne alle Kolleg*innen einzuweihen.
Bei einer Umfrage gaben 61 Prozent der befragten Menschen mit rheumatoider Arthritis an, bei der Arbeit offen mit ihrer Erkrankung umzugehen. Das erhöht auch die Wahrscheinlichkeit von Arbeitsplatzanpassungen oder weiteren Unterstützungsleistungen. 71 Prozent gaben an, dass ihre Arbeit so gestaltet ist, dass sie ihre Tätigkeit uneingeschränkt ausüben können. Hierzu könnten unterschiedliche Maßnahmen beigetragen haben – etwa durch Gestaltung der Arbeitsabläufe. Das ging bei der Mehrheit mit dem offenen Umgang einher. Der kleinere Anteil konnte diese Anpassungen ohne Thematisierung ihrer Erkrankung erreichen.2
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Was spricht dafür?
Wenn du dein Rheuma und die damit verbundenen Einschränkungen offen bei deiner Arbeit ansprichst, kann das Vorteile mitbringen:
- Arbeitsplatzanpassungen wie etwa ein ergonomischer Bürostuhl und ein höhenverstellbarer Tisch.
- Wenn du einen Behindertenausweis hast, hast du bestimmte Rechte wie zum Beispiel mehr Urlaubstage und einen besonderen Kündigungsschutz. Auch Anpassungen der Arbeitsorganisation, etwa Arbeiten im Home Office oder der Verzicht auf körperlich belastende Aufgaben, lassen sich dann besser umsetzen.
- Du kannst offener mit Umständen umgehen, die mit deinem Rheuma zusammenhängen, zum Beispiel die Einnahme von Medikamenten oder Beeinträchtigungen durch schmerzende Gelenke.
- Du erhältst mitunter Unterstützung durch deine Kolleg*innen.
Nachteilig ist die mögliche Diskriminierung infolge deiner chronischen Erkrankung und die Angst davor. Halten deine Vorgesetzten dich für weniger leistungsfähig, obwohl sie es nicht aussprechen? Könnten die Menschen an deinem Arbeitsplatz glauben, dass du dein Rheuma vorschiebst, um Arbeit zu vermeiden? Wie groß diese Ängste sind und wie berechtigt, hängt natürlich von dem Arbeitsklima und deinem Verhältnis zu Kolleg*innen ab. Wäge diese Aspekte ab, wenn du über den offenen Umgang mit deiner Erkrankung nachdenkst.
Was spricht dagegen?
Es kann eine Reihe von Gründen für dich geben, dein Rheuma bei der Arbeit nicht offen anzusprechen:
- Deine Gesundheit ist Privatsache, und du willst Privates und Berufliches klar trennen.
- Du möchtest das Verhältnis zu deinen Kolleg*innen nicht belasten. Deine Vorgesetzten sollen nicht das Gefühl haben, dir eine Sonderrolle im Unternehmen zukommen lassen zu müssen.
- Du vermeidest mögliche Diskriminierungen und Benachteiligungen, da die Reaktionen anders ausfallen könnten als erwartet.
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Negativ wirkt sich natürlich der Verzicht auf die im vorherigen Absatz genannten Vorteile wie Nachteilsausgleiche und Erleichterungen am Arbeitsplatz aus. Und auch nicht unwichtig: Wenn niemanden deine Krankheit auffallen soll, verdrängst du möglicherweise Symptome, verschleppst Therapiemaßnahmen und achtest nicht genügend auf dich selbst.
Tipp:
Ein Selbsttest kann helfen
Die Internetseite „Sag ich’s? Chronisch krank im Job.“ ist ein Projekt der Universität Köln. Sie bietet weiterführende Informationen und Materialien rund um das Thema Arbeiten mit chronischen Erkrankungen – und einen Selbsttest. Die Antworten einer Reihe von Fragen zu deiner Arbeit, deiner Lebenssituation, deinen persönlichen Erfahrungen und deinen Werten sollen dir helfen, alle Aspekte für den Umgang mit deiner chronischen Erkrankung bei der Arbeit im Blick zu haben. Die Entscheidung, wie offen du deine Erkrankung im Job thematisierst, wird dir dabei nicht abgenommen – die triffst du am Ende selbst.
Wo findest du Hilfe und Beratung?
Es gibt eine Reihe von Personen und Stellen, die dir Hilfe und Beratung anbieten:
- Betriebsärzt*innen
- Betriebs- und Personalräte
- Schwerbehindertenvertretungen (gibt es in Betrieben, in denen mindestens fünf schwerbehinderte Menschen fest beschäftigt sind)
- Selbsthilfegruppen
- Gesetzliche Krankenversicherungen
- Bundesagentur für Arbeit
- Gewerkschaften
- Integrations-/Inklusionsämter
- Sozialverbände
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Quellen:
1§ 164 Absatz 2 SGB (Sozialgesetzbuch) IX in Verbindung mit § 7 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz). https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9_2018/__164.html und https://www.gesetze-im-internet.de/agg/__7.html, zuletzt aufgerufen am 24.07.2023.
2Decker M, Flüter-Hoffmann C, Knödler C: IW-Report 4/21 Mit Rheumatoider Arthritis im Job: empirische Befunde aus dem In- und Ausland. Eine aktuelle REHADAT-Befragung im Kontext internationaler Studien. https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/Report/PDF/2021/IW-Report_2021_RheuArthri-barrierefrei.pdf, zuletzt aufgerufen am 24.07.2023.
3Universität Köln, Lehrstuhl für Arbeit und berufliche Rehabilitation, Projekt „Sag ich’s? Chronisch krank im Job?“. https://sag-ichs.de/start, zuletzt aufgerufen am 24.07.2023.